Und sie bewegt sich doch….!
Wir haben es schon immer gewusst! Nein, nicht gewusst, eher geahnt.
Denn zum Wissen gehören Zahlen und Fakten. Und die wurden nicht herausgerückt, trotz mehrfacher Bitten. Es wäre viel zu aufwendig, sagte man uns, und es würde uns auch nicht weiterhelfen, weil unsere Ahnungen und Annahmen sowieso nicht stimmen würden.
Aber jetzt ist es raus. Dank der akribischen Recherche von Prof Albrecht in den Statistiken der EKD (da hätten wir mal selber drauf kommen können 😀) haben wir es jetzt schwarz auf weiß:
„Sprechend für die Wachstumsdynamik ist die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den gemeindlichen und übergemeindlichen Pfarrstellen der ELKB. Standen diese 1970 noch im Verhältnis 20:1, so betrug dieses Verhältnis 1990 bereits 8:1 und beträgt gegenwärtig 2,3:1“ (Vorbemerkungen zum Impulspapier zur Rolle der übergemeindlichen Arbeitsbereiche der ELKB; Vorlage für die Frühjahrssynode 2023).
Beim ersten Lesen verschlug es mir fast die Sprache. Ich fragte nach, ob diese Zahlen wirklich belastbar wären und offiziell. Beides wurde bejaht. Den Statistiken der EKD sollte man schon Glauben schenken dürfen.
Was uns vom Gemeindebund 20 Jahre verweigert wurde, enthüllte die Arbeitsgruppe von Grundfragen- und Finanzausschuss innerhalb eines halben Jahres. Es geht also doch, dachte ich mir, und muss an mich halten, meine immer noch anhaltende Empörung nicht in diesen Newsletter einfließen zu lassen.
Ist es unfair zu meinen, dass uns diese Zahlen ganz bewusst verweigert wurden, weil sie unsere so ungern gehörten Argumente zur Stärkung der Ortsgemeinde untermauert hätten? Die Verlagerung von einer gemeindebezogenen hin zu einer themenbezogenen Kirche hatte ja bereits in den 70er Jahren eingesetzt. Das lässt sich anhand der Haushaltspläne unserer Landeskirche sehr schön nachvollziehen.
Und nun ist es quasi offiziell: Fast ein Drittel der Pfarrstellen unserer Landeskirche sind dem übergemeindlichen Dienst gewidmet. Bei einer geschätzten Zahl von etwa 2000 Pfarrpersonen sind das in jedem Fall ein paar Hundert. Kein Wunder, dass viele Gemeindepfarrstellen nicht mehr besetzt werden können. Die geregelte Arbeitszeit einer sog. „Funktionspfarrstelle“ mit dienstfreiem Wochenende, dienstfreien Feiertagen und ohne Verpflichtung zum Schulunterricht (Letzteres trifft natürlich nicht zu für die Pfarrpersonen, die im Bereich der Schulen eingesetzt sind) ist natürlich auch viel attraktiver als Dauerpräsenz in einer Gemeinde (Ich weiß, so pauschal stimmt das vielleicht nicht, aber in vielen Fällen eben schon!). Die Verpflichtung zum Schulunterricht verschiebt das Verhältnis von Funktionspfarrstellen und Gemeindepfarrstellen nochmals zu Ungunsten der Gemeindepfarrstellen. Ein Viertel der Arbeitszeit in den Gemeinden wird für den RU angesetzt.
Das Problem fehlender Pfarrerinnen und Pfarrer in den Gemeinden ist also hausgemacht und die Landesstellenplanung erscheint damit in einem neuen Licht. Es muss einem doch zu denken geben, dass es im Bereich der übergemeindlichen Pfarrstellen kaum Vakanzen gibt….
Nun will ich aber nicht rechthaberisch herumreiten auf alten Fehden, auch wenn diese Zahlen für mich eine gewisse Genugtuung bedeuten. Nein, wir sollten die Offenlegung nutzen für den Klärungsprozess von PuK: Wohin soll die Reise in Zukunft gehen?
Soll die Gemeinde vor Ort die Ebene sein, auf der die Reformation ihren Anfang nimmt? Dann braucht es Menschen, die bereit sind, verbindliche Beziehungen zu leben und die sich von der Begeisterung der Nachfolge tragen lassen, auch durch manche dunklen Täler hindurch.
Oder gehen wir den Weg einer themenbezogenen Kirche weiter und entfernen uns immer mehr von den Menschen, die wir doch eigentlich erreichen und denen wir den einfachen Zugang zur Liebe Gottes vermitteln wollten?
Beides gleichzeitig geht nicht! Dafür reichen die Ressourcen wahrlich nicht mehr aus. Ein massiver Rückbau übergemeindlicher Pfarrstellen zugunsten der Dekanatsbezirke und Gemeinden würde die Sympathien für den Puk-Prozess deutlich erhöhen und die gewaltige Frustration an der Basis vielleicht sogar in kreative Energie verwandeln können.
2,3:1! Wir haben es geahnt. Und jetzt wissen wir es.
Ein Alarmsignal. Statt leerer Treueschwüre für die Gemeinden vor Ort sind jetzt Taten gefragt. Daran wird sich der Erfolg von Profil und Konzentration messen lassen müssen.
Karl-Friedrich Wackerbarth
Dr. Gerhard Schoenauer, Dekan i.R., 1. Vorsitzender des Gemeindebundes V.i.S.d.P.
Karl-Friedrich Wackerbarth, Pfarrer, 2. Vorsitzender des Gemeindebundes, Landessynodaler
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Der Aktionstag des Gemeindebundes findet in diesem Jahr am
22.Juli in Nürnberg
von 10.00 Uhr bis 14.00 Uhr statt.
Als Referentin kommt Frau Corinna Hektor, 1.Vorsitzende des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins Bayern.
Bitte halten Sie sich diesen Termin frei. Weitere Informationen folgen