Kritik der aufblasbaren Kirche

Quelle: theomag

Über Klerikalismus, Banalität und Gleichheit

Wolfgang Vögele

„Selbst die Kirchenkritik folgt ihren Ritualen. Insider kennen die Namen der Journalisten, die in den überregionalen deutschen Tageszeitungen regelmäßig über die evangelische und die katholische Kirche schreiben. Kritische Artikel über die Kirche tauchen mit solider Regelmäßigkeit auf, und diese folgt den Feiertagen des Kirchenjahres. Genauso regelmäßig werden solche Artikel in den sozialen Netzwerken herumgereicht, stets schnell mit einer großen Menge von Kommentaren angereichert. Leser und User wissen genau, wer am besten formuliert, wer eher der konservativen oder der liberalen Kirchenkritik zuzurechnen ist, wo die Gewährsleute und Informanten in München, Hannover und Berlin zu suchen sind, welcher Journalist aus der Landeskirche ausgetreten und in eine kleine, vermeintlich konfliktfreie Freikirche gewechselt ist, welche Religionssoziologen und Meinungsforschungsinstitute im Hintergrund ihre Untersuchungen zur Verfügung gestellt haben. Aber genauso regelmäßig wie die evangelischen Kirchen als reformunfähig, mitgliederfreundlich und eingemauert in ihre alltägliche frömmelnde Geschäftigkeit dargestellt werden, genauso regelmäßig verläuft jede Kritik im Sande. Es ändert sich nichts: Die Mühlen von Frömmigkeit, Strukturdebatten und Leitbildprozessen mahlen weiter, als ob nichts geschehen wäre und als ob nichts geschehen müsste. (…)

Eine andere Krise, die theologisch und kirchlich relevant erscheint, zielt auf die veränderte Rolle der Intellektuellen in öffentlichen Debatten. Immer wieder haben in letzter Zeit Intellektuelle beklagt, dass ihre philosophischen und politischen Interventionen nicht mehr in der Weise gehört werden, wie das noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war. Wer sich wie in der nostalgisch verklärten Vergangenheit in Essays und Büchern zu Wort meldet, wird kaum noch gehört, weil beides nicht mehr gelesen wird. Auf Twitter und Facebook, in Kommentaren von weniger als tausend Zeichen, kann niemand Meinungen, Kritik, Projekte und Initiativen ausreichend begründen. Dasselbe gilt für politische und kulturelle Talkshows, die zwar noch Reichweite und Zuschauerquoten versprechen, aber eben nicht mehr der Ort sind, ausführlich, begründet und auf hohem Niveau Argumente auszutauschen und Vorschläge zu machen. Auch dieser Prozess der De-Intellektualisierung der Gesellschaft schlägt in die Kirchen hinein, und er zeigt sich am schwindenden Einfluss der Theologie auf das kirchliche und gemeindliche Leben.[1] Beispiele dafür sollen in den folgenden Überlegungen dargestellt werden.

Es ist der Prozess der Banalisierung zu beschreiben, dem kirchliches Leben im Moment unterworfen ist (2.-9.). Danach sollen Ursachen für solche Banalisierungsprozesse beschrieben werden (10.-13.), die im Moment zu neuen theologischen Deutungsmodellen verdichtet werden, weswegen solchen Modellen ebenfalls ein kritischer Blick gebührt (14.-17.). Am Ende steht ein unzureichender, erster Vorschlag, die gegenseitige Lähmung zwischen Kräften der Kritik und der Beharrung zu überwinden (18.). (…)

Notwendige Konzentrationsprozesse

Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass gegenwärtiges kirchliches Leben sowohl in seinen Binnenbeziehungen wie auch in seinen Beziehungen zur Gesellschaft und zur Zivilgesellschaft wie auch zu anderen Religionen von der Frage des Umgangs mit dem Pluralismus geprägt ist. Evangelischer Glaube muss damit umgehen, dass seine eigenen Gewissheiten von anderen Glaubenden, von anderen religiösen Personen, von Menschen ohne Religion nicht unbedingt geteilt werden. Um diese Fragen und Probleme zu behandeln, können unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. In diesem Essay wurde herausgearbeitet, dass sich dabei ein Weg der Banalisierung und ein Weg der Intellektualisierung und Theologisierung unterscheiden lassen. Wer mit Harmlosigkeit und Anbiederung und Nivellierung von Differenzen punkten will, der ver­schenkt die Botschaft des Evangeliums. Der Weg des Fundamentalismus, der Abgrenzung von bestimmten Bereichen der Erfahrung, steht theologisch nicht offen. Offen dagegen steht ein Weg der Besinnung auf theologische Argumentation und Interpretation, eine Konzentration auf Theologie, Gottesdienst und Predigt. Daran wäre weiter zu arbeiten.“

Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus Ta Katoptrizomena, Heft 115: https://www.theomag.de/115/wv046.htm

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