Presbyterien* vor dem Ende ihrer Leitungsverantwortung
Von Manfred Alberti
Fragen und Probleme rund um kirchliche Reformprozesse (V)
Wird die Evang. Kirche im Rheinland (EKiR) ihre Basisorientierung als Kirche mit einer presbyterial-synodalen Grundordnung behalten oder wird sie zu einer von oben geleiteten Institution, in der Gemeinden wie Filialen eines Konzerns behandelt werden? Manfred Alberti sieht die EKiR vor einer Grundsatzentscheidung und diskutiert die Optionen mit eindeutiger Präferenz.
… Wenn die Landessynode der EKiR diesen eingeschlagenen Weg weitergeht, wird die Verwaltung zu einem bestimmenden Leitungsgremium unserer Kirche und löst nicht nur die Presbyterien als Leitungsgremien ab, sondern greift auch tief in die Rechte von Kreissynodalvorständen und Superintendenten ein. Die Presbyterien werden auf Dauer zu bedeutungslosen Gremien wie die Bezirksvertretungen in größeren Städten.
Vor einigen Jahrzehnten besaßen viele rheinische Presbyterien vor allen mit reformierten Wurzeln und nach den Erfahrungen des Dritten Reiches ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein als verantwortliche Gemeindeleitung. Kirchenkreise und Kirchenleitung hatten mit den ihnen zugewiesenen Aufgaben wenig Einfluss auf die Gemeindeleitung. Im Glauben fest verwurzelte Presbyter und Presbyterinnen und starke Pfarrer und Pfarrerinnen achteten sehr auf die unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der presbyterial-synodalen Ordnung. Verwaltung hatte dabei alleine eine dienende, keine leitende Funktion.
Mit dem Aussterben dieser Generation von Presbytern und Pfarrern kommt das Machtgefüge in der Rheinischen Kirche in eine Schieflage. Die von Superintendenten und der kirchlichen Mittelebene geprägte Landessynode überführt immer mehr Verantwortlichkeiten von den Gemeinden und Presbyterien auf die kirchliche Mittelebene, ohne dass aus der Gemeindeebene lautstarker Widerstand kommt. Die aus der Aufgabenübertragung logisch resultierende Überforderung der Superintendenten und Kreissynodalvorstände lässt immer mehr planende und aufsichtliche Aufgaben auf die Verwaltung übergehen, die so die Chance sieht, selbst verantwortlicher Teil der Leitung zu werden.
Ein Teufelskreis: Je weniger Kompetenzen die Gemeinden und Presbyterien haben, desto uninteressanter ist die Presbyteriumsmitarbeit für kompetente Gemeindeglieder. Bald werden dann auch für die Kreissynodalvorstände kaum noch geeignete Persönlichkeiten zur Verfügung stehen: Der Einfluss der Verwaltung steigt immer weiter.
Solange die Rheinische Kirche sich nicht darauf zurückbesinnt, mit allen Mittel die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen der Presbyterien und Gemeinden zu stärken und Gemeinden primär auf dem ehrenamtlichen Engagement der Gemeindeglieder aufzubauen und dieses zu unterstützen, wird die Gemeindearbeit immer mehr geschwächt, da viel zu viel Geld für die Verwaltung statt für Gemeindearbeit ausgegeben werden muss: Verwaltung statt Pfarrstellen und Gemeindearbeit. …
Der Finanzskandal um eine kircheneigene Firma der EKiR mit zig Millionen Euro Verlust aus einem riskanten Geschäftsmodell und die ebenfalls zig Millionen Kirchengelder verschlingende Einführung eines neuen kirchlichen Finanzsystems (NKF) zeigen überdeutlich die Risiken des eingeschlagenen Weges der Zentralisierung: Falsche Entscheidungen einzelner Personen oder Institutionen gefährden die solide Finanzbasis einer ganzen Landeskirche. Kleinteilige Verantwortungsteilung auf Gemeindeebene lässt Fehler einzelner oder einzelner Gemeinden leichter solidarisch tragen.
Die Kirche wird angesichts der finanziellen Unwägbarkeiten nur als Zusammenschluss vieler Gemeinden mit selbst verantworteten Aktivitäten vieler Ehrenamtlicher zusammen mit den Theologen eine gesunde Zukunft haben können. Bei einer von oben geleiteten Firma »Kirche« werden viele Ehrenamtliche dagegen keine Lust verspüren, sich einzubringen, wenn sie sich fremden Konzepten unterordnen müssen.
Auf diesem jetzt eingeschlagenen Weg der Zentralisierung und Delegation von Leitungsverantwortung an Verwaltungsmitarbeiter verliert die EKiR allen Bekenntnissen zur presbyterial-synodalen Ordnung zum Trotz ihr Profil und ihre Stärke als Kirche mit einer Leitung von unten, von den Gemeinden aus: presbyterial-synodal geordnet.
* in Bayern: Kirchenvorstände
Lesen Sie hier den ganzen Artikel (Deutsches Pfarrerblatt 12/2012, S. 695 ff.) : http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt//index.php?a=show&id=3290