Auf der Herbstsynode der ELKB 2015 wurde beschlossen, den Anteil der Gemeinden am Kirchensteueraufkommen von der weiteren Entwicklung der Kirchensteuer zu entkoppeln. Die Zuweisung an die Gemeinden wurde auf dem jetzigen Stand eingefroren.
Aus einem Schreiben des Landeskirchenamts der ELKB vom 5. Februar 2016 an die Kirchengemeinden:
„Die Kirchengemeinden haben gemäß Art. 82 Abs. 3 Kirchenverfassung i. V. m. § 1 Abs. 3 und § 2 Finanzausgleichsgesetz unter Berücksichtigung des Kirchensteueraufkommens und ihres Bedarfs einen Rechtsanspruch auf einen angemessenen Teil am landeskirchlichen Kirchensteueraufkommen. Diese Grundsatzregelung geht zurück auf die bereits 1934 erfolgte Einführung der „Einheitsumlage für die Orts- und Landeskirchensteuer“, wodurch das vorherige System der getrennten Erhebung der Ortskirchensteuer und der Landeskirchensteuer abgelöst worden ist. Seit dem Jahr 2007 erfolgt die Berechnung des kirchengemeindlichen Anteils im Rahmen des „Neuen Innerkirchlichen Finanzausgleiches“.
Dessen im Wesentlichen an der Gemeindegliederzahl orientierte und damit einfache, flexible, transparente und gerechte Systematik hat sich in den vergangenen 10 Jahren bewährt. Um die Verlässlichkeit und kontinuierliche Entwicklung des Punktwertes zu gewährleisten, wurde von der Gemeinde- und Kirchensteuerabteilung eine Schwankungsrücklage gebildet, um im Falle eines Rückgangs des Kirchensteueraufkommens im Interesse der Kirchengemeinden ausgleichend reagieren zu können. Aufgrund der 2015 erfolgten Änderung der Haushaushaltsordnung und des bilanziellen Fehlkapitals der Landeskirche ist die Bildung solcher Rücklagen derzeit jedoch nicht mehr möglich.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig geworden ein System zu finden, das einerseits der Perspektive rückläufiger Finanzkraft der Landeskirche auch im Gemeindebereich Rechnung trägt, andererseits den Kirchengemeinden, Gesamtkirchengemeinden und Dekanatsbezirken auch künftig Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die nächsten Jahre gibt. Das Finanzausgleichsgesetz (RS 438) ist deshalb mit Wirkung für das Haushaltsjahr 2017 wie folgt geändert worden (Vgl. KABl 2016/1 S. 14):
- Das Budget für (Gesamt-)Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke wird von der aktuellen Kirchensteuerentwicklung entkoppelt. Das bedeutet, dass Kirchensteuer-Mehr- oder Mindereinnahmen nicht mehr relevant sind. Damit wird der Gemeindebereich vom Risiko mittelfristig erwarteter Rückgänge beim Kirchensteueraufkommen entlastet; er partizipiert aber – anders als bisher – nicht mehr an Zuwächsen, womit in den vergangenen acht Jahren die laufenden Baumittel des Gemeindebereichs (insb. Pfarrhaus-, Energie- und Kirchensanierungsfonds) ganz erheblich verstärkt werden konnten.
- Bezugsbasis für die Planung des Gemeinde-Budgets ist künftig stattdessen der gleitende Durchschnitt der Haushalts-Plan-Ansätze des Gemeindebudgets zuzüglich der Kirchensteuer-Mehreinnahmen des Gemeindebereichs aus den drei vorhergehenden, durch Jahresrechnung abgeschlossenen Haushaltsjahren.
- Tarifsteigerungen sind aus dem sich gemäß 2) ergebenden Budgets zu erbringen. Das ist – neben dem Wegfall der Beteiligung an Kirchensteuermehreinnahmen – der Beitrag des Gemeindebereichs zur Vorsteuerung (des kirchlichen Gesamthaushaltes).
- Diese Neuregelung tritt für das Haushaltsjahr 2017 in Kraft. Bezugsbasis dafür ist der gleitende Durchschnitt der Plan-Ansätze des Gemeindebudgets zuzüglich der Kirchensteuermehreinnahmen des Gemeindebereichs aus den drei vorhergehenden Haushaltsjahren 2013, 2014 und 2015. Für das Haushaltsjahr 2018 werden dann die Ergebnisse der Jahre 2014 bis 2016 zugrunde gelegt.
- Die Neuregelung soll zunächst für 7 Jahre gelten (HH-Jahre 2017 bis 2023). In 2021 erfolgt eine Evaluation.
Auf diese Weise wird das Budget für (Gesamt-)Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke im Durchschnitt der Jahre bis 2023 jeweils rund 147 Mio. € betragen. Im Haushaltsjahr 2016 erhalten die (Gesamt-) Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke davon ca. 79,5 Mio. € (bei einem Punktwert von 144,61 €) direkt in Form der Schlüsselzuweisungen. Weitere Bestandteile des Gesamtbudgets sind a) die Sonderzuweisungen für außergewöhnliche, im landeskirchlichen Interesse anerkannte Belastungen, für Kindertagesstätten, für Sonderseelsorge, Jugendfreizeitheime, für die Anmietung von Pfarrdienstwohnungen (8,3 Mio. €), b) Bedarfszuweisungen für Baumaßnahmen (19,7 Mio. €), c) Mittel für die Kirchengemeindeämter und (Gesamt)Verwaltungsstellen (27,5 Mio. €) sowie die Personalkosten für die theologisch-pädagogischen Mitarbeitenden gemäß Landesstellenplanung (4,5 Mio. €).
Die Gemeinde- und Kirchensteuerabteilung beabsichtigt, die personalkostenrelevanten Anteile der genannten Zuweisungsbereiche auch in den kommenden Jahren entsprechend der Tarifentwicklung anzupassen. Infolge der bezeichneten Deckelung des Gemeindebudgets auf ca. 147 Mio. € sind dann aber Mittelkürzungen bei den Sachkostenzuweisungen, insbesondere für Baumaßnahmen unvermeidlich.“
Dies bedeutet:
- Sollten die Kirchensteuereinnahmen weiter steigen, werden die Gemeinden davon nicht mehr profitieren. Der Anteil am Kirchensteueraufkommen, über den die Gemeinden und ihre Kirchenvorstände frei verfügen können, wird in diesem Fall von jetzt unter 24% weiter sinken. Die ELKB setzt weiterhin auf die zentrale Steuerung der Finanzmittel, statt die Kirchengemeinden und ihre Handlungsfähigkeit zu stärken und die dort vorhandenen Potentiale zu fördern.
- Gemeinden, die bereits jetzt nicht in der Lage sind, ihre Haushalte auszugleichen, werden das auch zukünftig nicht können. Wenn die Personalkosten steigen, wird sich deren Situation weiter verschlechtern.
- Die ELKB investiert zukünftig keine weiteren Mittel in die Arbeit der Gemeinden vor Ort und stattdessen vermehrt in zentral gesteuerte Fonds und Projekte. Dies macht vor dem Hintergrund z.B. der letzten KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung), in der die Bedeutung der Ortsgemeinden und ihrer Mitarbeiter für die Gesamtkirche (und deren zukünftige Finanzierung!) überdeutlich wurde, keinen Sinn. Durch solche Entscheidungen wird an der falschen Stelle gespart. Dadurch sägt die ELKB an dem Ast, auf dem sie sitzt.
- In der Begründung dieser Handlungsweise der ELKB spielen theologische Gesichtspunkte keine Rolle. Dies ist einer Kirche nicht angemessen. Denn hier geht es ja auch ums Kirchenbild: Wo sind die Aufgaben, die die Kirche vorrangig und unbedingt sichern muss? In dem Schreiben heißt es lediglich: „Die Vorsteuerung des landeskirchlichen Haushaltes dient in erster Linie der finanziellen Zukunftssicherung unserer bayerischen Landeskirche. Durch die demographische Entwicklung und der Tatsache, dass ab dem Jahr 2019 die geburtenstarken Jahrgänge sukzessive aus dem Erwerbsleben ausscheiden, ist voraussichtlich ab diesem Zeitpunkt mit einem zurückgehenden Kirchensteueraufkommen zu rechnen.“ Solche und ähnliche Prognosen sind nicht neu, haben sich aber auch in den letzten Jahren oft genug als falsch erwiesen. So hat z.B. der Rückgang der Kirchenmitglieder – anders als im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ (2006) prophezeit – nicht zu einem Rückgang des Kirchensteueraufkommens geführt.
Johannes Taig