Von Karl Richard Ziegert
Erstaunlich findet es Karl Richard Ziegert, mit welcher Chuzpe die Landeskirchen oder die EKD ihre Strategiepapiere wie z.B. »Kirche der Freiheit« von 2006 als Erfolgskonzept verkaufen. Was damit beabsichtigt wird, ist für ihn kaum unklar: die EKD zum privilegierten Träger »öffentlicher Religion« zu erklären und eine eindimensionale Politisierung des Evangeliums voranzutreiben. (aus Deutsches Pfarrerblatt, Heft 10/2014)
„(…) mit dem neuen Zentralismus in der EKD verschwindet in der Fläche der Bundesrepublik auch eine gesellschaftlich ebenso elementare wie kostbare Sache: der für viele Menschen wichtige, ohne Bedingungen greifbare Notausgang bei schwer lösbaren menschlichen und gesellschaftlichen Problemlagen. Was hier eine im Bedarfsfall in wenigen Stunden bis in den letzten Winkel der Bundesrepublik alle gesellschaftlichen Institutionen kontaktierbare Struktur eines kirchengemeindlichen Kümmerns um die Menschen auch am kleinsten Ort löst und leistet, war einmal eine stille, aber für die Betroffenen fast immer bemerkenswert erfolgreiche gesellschaftliche Kraft, die nun die EKD-Kirchen selbst für ihren Plan einer politisch-moralischen Herrschaft über die Gesellschaft opfern.
Man muss sich diese Verhältnisse nüchtern vor Augen führen, um die ganze Dramatik der in den letzten fünf Jahrzehnten immer intensiver eingerasteten Zweck-Mittel-Verkehrung von Finanzierung und Organisation in der EKD begreifen zu können. Die Beteuerung von Synoden und Kirchenleitungen, dass die Gemeinden das Herz der Kirche seien, ist pure Fensterrede. Dass Günter Jauch in der ARD zum Thema »Bischof von Limburg« am 20. Oktober 2013 einfach behauptet hat, »die Kirchensteuer fließt überwiegend in den Unterhalt der Gemeinden«, ist für den EKD-Bereich schlicht unzutreffend. Denn von der Kirchensteuer finanziert wird überwiegend eine katastrophal überinstitutionalisierte Kirchenorganisation. Anstatt wie vor 1960 – und der Stand dieses Jahres wäre die Messlatte für den Rückbau des Kirchenapparates – in die personale Grundstruktur der Gemeinden zu investieren und in gleicher Weise die notwendigen Ressourcen für die Gemeinschaftsbildung vor Ort und in den kirchlichen Jugendfreizeiten in maximaler Weise zu pflegen, wie dies die Finnische Lutherische Kirche mustergültig praktiziert, werden nur noch diejenigen Organisationszwecke erhalten und ausgebaut, die die zentralistische Äußerungsstruktur der kirchlichen Nomenklatura unterstützen, d.h.: die EKD zerstört ihre eigene Religionsfähigkeit. Klaus Mertes benennt in der FAS vom 20. April 2014 im direkten Bezug auf die EKD diese Krankheit, die »am Anfang schwer zu erkennen und leicht zu heilen, am Ende unübersehbar fast nicht mehr zu kurieren ist«, in treffender Weise den »institutionellen Narzissmus«.
Natürlich gibt es im kirchlichen Feld auch noch anderes als institutionellen Narzissmus zu besichtigen und sogar handfeste Gegenbeispiele, die die geschilderte Lage aber nicht verändern. Die Bewegung des Systems ist eindeutig und von der herrschenden EKD-Elite kein Einlenken zu erwarten. Wohl erst wenn alles am Boden liegt, kann eine restlos neue personelle Aufstellung mit religiös wieder sprachfähigen und glaubwürdigen Leitungsgremien, einer konsequenten Restrukturierung der kirchlichen Arbeit als Gemeindearbeit mit einem »ordentlichen« Gottesdienst – ein eigenes Thema – und der Befreiung der Pfarrerschaft zur »Inkarnation« in das Leben ihrer Gemeinde mindestens ab 1.000 Mitgliedern die Menschen hoffentlich wieder etwas von dem wahrnehmen lassen, was christliche Kirche wirklich ist.“
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