Gott oder gar nicht: Viele Deutsche können mit Religion nichts mehr anfangen. Die anderen wollen Kirche – aber eine, an der sie sich beteiligen können. Gemeinden, die das beherzigen, haben Erfolg. Von Matthias Kamann (Die Welt vom 20.04.2014).
Ein „doppelter Paradigmenwechsel“ zeigt sich
Dass sich Glaube vor allem im Nahbereich vollzieht, konstatiert auch ein katholischer Gemeindeexperte, Bernd Galluschke, Propst in Duderstadt im ländlichen Eichsfeld. Galluschke sieht jetzt eine kirchliche Protestbewegung der letzten Jahre ins Recht gesetzt. Diese Bewegung richtet sich dagegen, dass die beiden Kirchen in immer neuen Fusionswellen die einzelnen Ortsgemeinden zu immer größeren Einheiten verschmelzen. Dagegen wehren sich viele Gemeindeglieder und verlangen, dass die jeweilige Ortsgemeinde erkennbar und die Kirche im Dorf bleiben soll. „Das“, sagt Galluschke, „müssen die Institutionen jetzt endlich akzeptieren.“
Ähnlich wie Karle wendet sich Galluschke zugleich gegen Vereinnahmungsstrategien bei Engagierten. Man dürfe die Leute nicht mit Glaubenssätzen traktieren. Vielmehr entwickele sich christliches Denken „quasivon allein, wenn wir die Menschen in ihrem Engagement würdigen“. Als Beispiel führt Galluschke eine Erzieherin in einem kirchlichen Kindergarten an. Wenn diese Frau religiös distanziert sei, sich aber liebevoll um die Kinder kümmere, dann müsse man diesen Einsatz loben und unterstützen, „statt die Frau missionieren zu wollen“. Dem Christentum werde sie sich schon von selbst öffnen, wenn sie spüre, dass Christen sie schätzen.
Im Grunde besinnen sich hier Praktiker und Gemeindeexperten auf zwei alte Stärken des Christentum. Darauf, dass die Kirche persönlichen Umgang und die Erfahrung von Nähe ermöglicht, im Gebäude am Ort, in den persönlich ansprechbaren Pfarrerinnen und Pfarrern, in kleinteiligen Aktivitäten. Zudem wird Christen jetzt wieder klar, dass sie doch nette Leute sind: Die meisten sind freundlich, können ihre Aggressionen zügeln und deshalb wohlwollend ganz normale Leute anerkennen, wenn die etwas Gutes machen.
Von einem „doppelten Paradigmenwechsel“ spricht denn auch einer der besten Kenner evangelischer Gemeindeentwicklung, Hans-Hermann Pompe, der in Dortmund das „EKD-Zentrum Mission in der Region“ leitet. Zum einen setze sich „die Erkenntnis durch, dass die Ortsgemeinden weiterhin das beste Pferd im Stall sind“. Der Blick auf die Ortsgemeinden, genauer auf die lokalen kirchlichen Strukturen, sei „sehr viel freundlicher als noch vor zehn Jahren“.
Zum anderen, so Pompe, werde wieder deutlich, dass es dem Christentum gut gehe, wenn Christen freundlich seien, zugewandt. Wenn sie also „Neugier entwickeln für die realen, aktuellen Bedürfnisse der Menschen in der Nähe, wenn sie ihnen die Möglichkeit geben, das für sie Wichtige in großer Eigenverantwortung zu entdecken und in ihr Leben zu integrieren“.
Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus der WELT vom 20.04.2014: http://www.welt.de/politik/deutschland/article127131684/Die-Glaubensfrage-spaltet-die-Deutschen.html