Von Hans-Jürgen Volk
Wer heute rechtspopulistische Strömungen analysiert, darf den Wurzelboden nicht vergessen, aus dem sich diese politischen Entwicklungen nähren. Hierzu zählt nach Hans-Jürgen Volk auch die verfehlte Sozial- und Wirtschaftspolitik der Schröder- und Agenda 2010-Jahre. Volk zeigt aber auch auf, inwiefern die evangelische Kirche im Strom dieser neoliberalen Neuausrichtung mitgeschwommen ist und dies nun mit einem Vertrauensverlust bezahlt, der wenig verwunderlich ist
„Die evangelische Kirche ist mit dem Strom geschwommen. Wahrnehmbar für einzelne Gemeindeglieder sind vor allem die Schließung von Kirchen und Gemeindezentren, Fusionen von Gemeinden und Kirchenkreisen und die immer größer werdende Schwierigkeit, bei eigenen Anliegen einen verlässlichen Ansprechpartner zu finden. Kurz: Für den in den letzten Jahren stetig gestiegen Kirchensteuerbeitrag gibt es immer weniger Gegenleistung. Das erzeugt Frust und Entfremdung. Frust erzeugt die Bevormundung der Praktiker vor Ort durch Menschen, die ihr berufliches Leben vor allem in Büros und Sitzungsräumen verbringen. Frust ohne Ende entstand durch die vielfachen sozialen Härten bei kirchlichen Mitarbeitern, die von Rückbauprozessen und Sparprogrammen trotz stetig steigender Kirchensteuereinnahmen betroffen sind. Wenn Vertreter der Kirche sich öffentlich wohlmeinend zur Flüchtlingsfrage oder zu sozialen Themen äußern, wird dies als moralisierend empfunden. Die evangelische Kirche in ihrer jetzigen Verfassung ist Teil einer Problemlage, die Rechtspopulisten in Deutschland Auftrieb gegeben hat.
Nötig wäre eine konsequente Umkehr von einem falschen und letztlich unkirchlichen Kurs, wie sie das »Wormser Wort« einfordert. Nötig wären mutige Schritte, innerhalb des kirchlichen Lebens eine wirksame Teilhabe der Kirchenmitglieder zu ermöglichen. Die Mitglieder könnten durch kirchliche Plebiszite bei Fusionsprozessen und anderen strukturellen Veränderungen mit eingebunden werden. Mutig wäre es, z.B. Spitzenämter auf Kirchenkreisebene durch eine Wahl der Kirchemitglieder zu vergeben. Mutig wäre es, Gewaltenteilung und Machtkontrolle zu praktizieren.
Wer Menschen als Objekt betrachtet und behandelt, die sich denen mit angeblich größerem Überblick unterzuordnen und zu fügen haben, erzeugt Frust und Entfremdung. Das Hartz IV-Regiment macht den Menschen, der eigentlich als Bürger der Souverän sein sollte, zum Fürsorge- und Strafobjekt, das man gelegentlich demütigen muss. Eine evangelische Kirche sollte hier bewusst Gegenakzente setzen und partnerschaftlich mit Gemeindegliedern und Beschäftigten umgehen. Unsere Gesellschaft, die in der Tat durch rechtspopulistische Kräfte bedroht ist, braucht eine Kirche, die mit ihren Strukturen und ihrem Umgang mit Kirchenmitgliedern und Beschäftigten ihre Botschaft bezeugt. Das könnte heißen: mehr direkte Demokratie und Teilhabe in den verschiedenen kirchlichen Körperschaften und Einrichtungen, die Pflege eines bewusst sozialen Umgangs mit den eigenen Beschäftigten, größere Spielräume für die, die vor Ort in der kirchlichen Arbeit engagiert sind sowie die Rückkehr zum Prinzip der kollegialen Leitung und der Einmütigkeit. Hierbei hilft es nicht, Einmütigkeit formaljuristisch zu interpretieren. Das Ringen um Einmütigkeit ist eine geistliche Aufgabe, die auf Augenhöhe in partnerschaftlich-geschwisterlicher Weise zu leisten ist.“
Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus dem Deutschen Pfarrerblatt Heft 7/2018, S. 374ff.: http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/index.php?a=show&id=4539