Gute Pfarrerinnen und Pfarrer zeichnen sich dadurch aus, dass sie mithilfe der äußerst spannungsreichen Bildsprache des Glaubens die komplexen Lebenszusammenhänge und Ambivalenzen des Lebens zur Sprache zu bringen vermögen. Die Gefahr der Kirche besteht nicht in einer Entchristlichung der Gesellschaft, sondern darin, dass sie – durch die diffus religiöse Lage der Gegenwart verunsichert – Trivialitäten an die Stelle der Bild- und Symbolwelt des Glaubens setzt und so ihr Existenzrecht verliert. Dies will Michael Roth in seinem Beitrag zeigen.
Trivialisierung, Selbst-Banalisierung und Infantilisierung der kirchlichen Verkündigung sind Folge der Verunsicherung der Kirche. Sie droht sich von Inhalten und Formen des Glaubens zu entfernen hin zu einer diffusen Religion der Innerlichkeit, Gefühlsduselei und des Moralisierens, die in ihrer Leere alle möglichen Inhalte anzieht. Die äußerst spannungsreichen Bild- und die Symbolwelten des christlichen Glaubens werden durch einfache Sprüche und Hohlformeln ersetzt. Diese sind aber den komplexen Lebenszusammenhängen und Ambivalenzen des Lebens, der paradoxen Gleichzeitigkeit von Sünde und Gelingen, Kreativität und Scheitern, Angst und Hoffnung, nicht gewachsen. Nichtssagende Hohlformeln mögen zwar nett klingen, man kann sie auch beliebig oft aneinanderreihen, aber weder ermöglichen sie eine realistische Selbstwahrnehmung noch tragen sie zur Deutung, Bewältigung und Verantwortung der jeweiligen Lebenssituation bei. Das Leben verträgt keine triviale Verkündigung, und zwar deshalb nicht, weil es selbst nicht trivial ist. Und daher kann eine triviale Verkündigung auch kein nicht-triviales Leben begleiten. Sie hat hier einfach keinen wirklichen Ort – bestenfalls als Wohlfühl-Event am Rande. Ein Wohlfühl-Event am Rand kann aber keine lebensprägende Kraft entfalten. Es verpufft und zurück bleiben das Gefühl der Leere und das Gefühl, um das Wichtige und Entscheidende betrogen worden zu sein.
… Die Trivialisierung der kirchlichen Verkündigung ist kein erfolgversprechender Weg. Die Kernfrage lautet nicht, welche gesellschaftlichen Bedürfnisse die Organisation Kirche alle befriedigen kann, um die Organisation zu stabilisieren und weiterhin ihre Funktionäre zu alimentieren, sondern wie der eigentlichen Aufgabe der Kirche, nämlich der Präsentation des Glaubens als eine das Leben prägende Kraft, einer Präsentation des Glaubens also, die das Wichtige und Entscheidende nicht verschweigt, nachzukommen ist. Gefahr droht dem Christlichen nicht durch einen angeblich neuen religiösen Markt und auch nicht dadurch, dass die ehemals die Gesellschaft prägenden Traditionen an gesellschaftlichem Einfluss verlieren, sondern dadurch, dass die Kirche, durch die Zeitumstände verunsichert, Trivialitäten an die Stelle der Bild- und Symbolwelt des christlichen Glaubens setzt und damit die Faszinationskraft einbüßt, die diese besitzt.
Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus dem Deutschen Pfarrerblatt, Heft 6/2013: http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt//index.php?a=show&id=3392