Fragen und Probleme rund um kirchliche Reformprozesse (VI)
Von: Ingrid Schneider
Ein systemisch-integraler Blick auf die Reformen in der EKiR
Wer sich die Reformdiskussionen in der EKD und ihren Landeskirchen anschaut, wird bemerken: Der Trend geht hin zu größeren Einheiten – bei Landeskirchen, Kirchenkreisen oder Dekanaten, in Gemeinden oder auch Verwaltungseinheiten und Einrichtungen. Größer, weiter, schneller, effizienter, komplexer, unübersichtlicher, zunehmend losgelöst von Menschen vor Ort – ein Muster, das alltäglich erlebbar ist in unserer Gesellschaft. Die Reformbemühungen innerhalb der rheinischen Kirche – so Ingrid Schneider – weisen ebensolche Tendenzen zu größeren Einheiten und übergeordneten Strukturen auf: ein Weg, der jedoch in die falsche Richtung weist.
Durch Zusammenlegung von Kapazitäten sollen neue Handlungsspielräume eröffnet, eine größere Professionalität durch Spezifizierung ermöglicht, ein einheitliches und gleichbleibend für Qualität sorgendes Bild nach außen erreicht und zugleich die Steuerbarkeit in komplexen Systemen erhöht werden. Unter diesen Gesichtspunkten sind viele der Maßnahmen, die (auch) in der rheinischen Kirche in den letzten Jahren auf den Weg gebracht wurden, gut verständlich und angemessen. Wenn hier im Folgenden dennoch ein Plädoyer gehalten wird, auf diesem Wege in der rheinischen Kirche nicht konsequent fortzufahren, dann hängt das mit einem systemisch-integralen Blickwinkel zusammen. Aus ihm heraus stellen sich die entwickelten Lösungen noch einmal in einem anderen Licht dar. Dann erscheinen fast alle Reformanstrengungen als Lösungen, die aus dem Paradigma der Moderne stammen. Doch wir tun nicht gut daran, dem im Raum Kirche das Feld so weitgehend zu überlassen. So verlockend es auch erscheint, weil es scheinbar in der Lage ist, die strukturellen und finanziellen Probleme zu lösen, es bietet keine nachhaltigen Lösungen. In längeren Zeiträumen gedacht vermag es keine Prozesse in Gang zu setzen, die Kirche in der Gesellschaft einen guten Platz verschaffen. Und dies liegt an mehreren Faktoren: Zum einen ist der zu zahlende Preis für kurz- und mittelfristige Entlastung insbesondere im finanziellen Bereich viel zu hoch. Funktionierende Strukturen werden zerstört und die presbyterial-synodale Identität gefährdet. Darüber hinaus ist es ein Paradigma, das den tradierten Werten von Kirche an vielen Stellen widerspricht. In seiner extremen Ausprägung wird es oft genug in kirchlichen Verlautbarungen zu Recht angegriffen, weil Menschlichkeit und Menschenwürde nachrangig angesehen werden gegenüber dem finanziellen Gewinn. Was muten wir uns selber zu, wenn wir hier das Feld komplett öffnen? Drittens wird eine Unterordnung unter dieses Paradigma der Verschiedenheit der Menschen in den Gemeinden und der Gesellschaft nicht gerecht. Im Gegenteil, all jene Menschen, die sich durch diese mit solchem Handeln verbundenen Werte nicht vertreten fühlen – und derer gibt es eine Menge im Raum Kirche – werden sich mehr und mehr abwenden.
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(Deutsches Pfarrerblatt Nr. 1/2013)