„Die kirchliche Großorganisation will sich nicht mehr als subsidiäre Kraft verstehen, die den als örtliche Versammlungen existierenden Kirche helfend, koordinierend und regulierend zur Seite steht, sie nach außen hin vertritt und im Kontext der Ökumene für sie spricht. Sie tritt in dem Bewusstsein auf, die real existierende Kirche schlechthin zu sein. Sie gibt ihrem ‚Personal‘ – also den Pfarrern und Pfarrerinnen – Anweisungen für den Vollzug ihrer Arbeit und sie ‚entwickelt‘ dieses ihr ‚Personal‘ so, dass es ihren Erwartungen lückenlos zu entsprechen vermag. (Jürgen Roloff)
Inhalt:Kirche wohin?; Von wegen…; Podiumsdiskussion
„Kirche wohin?“ – Hauptreferat von Christian Nürnberger
… Nun höre ich, dass es hier in diesem Kreis nun aber wirklich um Aufbruch geht und um Bestrebungen, sich vom übermächtigen Landeskirchenamt abzukoppeln, weil man es satt hat, sich von München aus disziplinieren und gängeln zu lassen, und weil der dortige Wasserkopf seine Existenzberechtigung mit Bergen von Papier nachzuweisen sucht, unter dem der einzelne Pfarrer begraben und dadurch gehindert wird, seiner eigentlichen Arbeit nachzugehen. Man will also weg von der Bischofskirche, hin zur Gemeindekirche.
Wenn das so ist, dann haben diese Bestrebungen im Grundsätzlichen meine Sympathie, wenngleich ich nicht weiß, wie das dann in der Praxis aussehen könnte. Prinzipiell gefällt mir daran, dass nach einer Periode, in der die da unten immerzu von denen da oben unter Rechtfertigungszwang gestellt wurden, jetzt einmal der Spieß umgedreht und die Existenzberechtigung von denen da oben hinterfragt wird.
Davon abgesehen halte ich das Bestreben, Macht und Geld von oben nach unten zu verlagern, generell für die richtige Forderung der Stunde, und zwar sowohl für das politische wie für das kirchliche Gemeinwesen, denn alle Spatzen pfeifen doch längst von den Dächern, dass die herkömmliche Art, in der bei uns regiert wird, am Ende ist.
Politiker haben gar nicht mehr die Macht, Zukunft zu gestalten, und das bekommen wir fast täglich vorgeführt. Merkel und Steinmeier fahren vor der Wahl nach Rüsselsheim, um Opel zu retten, und nach der Wahl erfahren wir, dass sie das gar nicht können. Herr Seehofer fährt nach Fürth, um Quelle zu retten, und wenige Wochen später ist dort Ausverkauf. Das kannten wir alles schon von der Holzmann-Rettung durch Schröder. Regierende, die gar nicht mehr regieren und nur noch so tun als ob, brauchen wir nicht. Die kosten nur Geld und verzögern Entscheidungen.
Verlagert also das Geld und die Entscheidungskompetenz nach unten, dorthin, wo das Geld erwirtschaftet wird, und dorthin, wo wir täglich unter den ungelösten Problemen zu leiden haben, also in die Gemeinden. Natürlich brauchen wir auch weiterhin übergeordnete Instanzen und auch die EU, aber diese Instanzen, und nicht die Gemeinden, sind zu verschlanken und auszudünnen. Keine Kirche braucht Werbung, PR, Plakate, Profilneurotiker und Eventmanager. Keine Regierung und kein Land braucht einen Wirtschaftsminister, dem seit 30 Jahren nichts anderes einfällt als der Satz: Der Markt, der Markt, der hat immer recht.
Und statt einer Professionalisierung in der Kirche brauchen wir das Gegenteil, nämlich eine neue Laisierung, und nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Politik. Demokratie ist keine Kleriker-, Profi- und Expertenherrschaft, sondern Volksherrschaft, und Kirche ist das Priestertum aller Gläubigen. Daher brauchen wir weniger Berufspolitiker und weniger Berufskleriker, und dafür mehr Laien, vor allem solche, die auf ein gelebtes Leben außerhalb der Politik und Kirche zurückblicken.
Da draußen im Volk, unter den sogenannten Laien, schlummert ein ungehobener Schatz für unser Land. Grabt ihn aus, es gibt ihn in jeder Gemeinde. Wer diesen Schatz hebt, wird imstande sein, vor Ort die meisten der Probleme zu lösen, die Politiker nicht in den Griff kriegen.
Christian Nürnberger studierte einige Semester ev. Theologie, Philosophie und Pädagogik, absolvierte die Hamburger Henri-Nannen-Schule und begann seine journalistische Praxis als Lokalreporter bei der Frankfurter Rundschau. Später war er Redakteur beim Wirtschaftsmagazin Capital und Textchef bei highTech. Seit 1990 ist er als freier Autor (unter anderem für die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit) und als Publizist tätig.
Lesen sie den ganzen Vortrag
Von wegen Marginalisierung der Ortskirchengemeinden!
Statement beim 2. Aktionstag des Forums „Aufbruch Gemeinde“ am
7. November 2009 in Nürnberg
Die Podiumsdiskussion
Die ganze Diskussion können sie hier hören:
Nochmal: Das liebe Geld
Die Kirchengemeinde Nürnberg-Lichtenhof stellte im November 2008 einen Antrag auf Auskunft über die Höhe des Kirchensteueraufkommens in ihrem Gemeindebereich und erhielt im September 2009 eine Antwort. Der Kirchenpfleger der Kirchengemeinde erstellte aufgrund der Auskünfte des Landeskirchenamts eine eigene Rechnung. und erhielt wieder eine Antwort. Auch die Kirchengemeinde Zusmarshausen stellte weitere Fragen an das Landeskirchenamt.
Hier können Sie die Rechnung für Ihre eigene Gemeinde erstellen. In dieser Rechnung wird von einem bayernweit durchschnittlichen Kirchensteuereinkommen ausgegangen, obwohl selbstverständlich klar ist, dass es innerhalb Bayerns regional große Unterschiede beim Kirchensteueraufkommen gibt. Einen Durchschnittsbetrag zu nehmen ist Ausdruck der Solidarität der Gemeinden und Regionen in Bayern. Die teilweise erheblichen Differenzbeträge, die sich nach Abzug aller Kosten am Ende ergeben, geben Anlass zu der Frage, ob sich die Wertschätzung der Ortsgemeinde auch finanziell so darstellen lässt, wie das immer wieder behauptet wird. Es besteht weiterer Diskussionsbedarf.
- Kirche und Geld (Informationen der bayerischen Landeskirche)
- Das liebe Geld (Themenseite)
Der Ablauf des Tages 10.00 Uhr Geistliches Wort – Begrüßung 10.15 Uhr Referat von Christian Nürnberger: „Kirche Wohin?“ 11.15 Uhr Nachfragen im Plenum 11.30 Uhr Pause mit Imbiss 12.00 Uhr Podiumsdiskussion mit Repräsentanten der Synode, des Landeskirchenrates und des Aufbruchs Gemeinde 14.00 Uhr Plenum 14.30 Uhr Reisesegen |