Das liebe Geld
Niemand kann behaupten, dass den Kirchengemeinden in Bayern nur 25% (2012: 27,1%, 2013: 25,94%, 2014: 24,01%?) des Kirchensteueraufkommens zugute kommen. Pfarrer und Pfarrerinnen z.B. bekommen ihre Bezüge von der Landeskirchenkasse.Diese 25% sind aber exakt der Anteil, der den Gemeinden in Form einer jährlichen Schlüsselzuweisung im Rahmen des innerkirchlichen Finanzausgleichs direkt überwiesen wird, und über den sie alleine entscheiden können. Von dieser Zuweisung müssen sie (zusammen mit dem Kirchgeld) ihren Gemeindehaushalt ausgeglichen gestalten.
Die Schlüsselzuweisung wird nach einem sogenannten Punktwert berechnet. Wie viele Punkte eine Gemeinde hat, errechnet sich vor allem nach der Mitgliederzahl. Beispiel:Die Erhöhung des Punktwertes von 2010 auf 2011 betrug 1,92 € = 1,50%.Die Erhöhung des Punktwertes von 2011 auf 2012 betrug 1,81 € = 1,39%.Die Erhöhung des Punktwertes von 2012 auf 2013 beträgt 1,84 € = 1,40%.Diese Erhöhungen bilden nicht die tarifliche Steigerung der Personalkosten (70% des Punktwertes) und die preisliche Entwicklung der sog. Sachkosten (z.B. Energiekosten, 30% des Punktwertes) ab. Die Folgen liegen auf der Hand. Die Schere zwischen Kostensteigerungen und Zuweisung geht auseinander.Außerdem müssen die Gemeinden von diesem Geld die in den letzten Jahren gestiegenen Umlagen bestreiten:5%-15% der Schlüsselzuweisung werden vom Dekanat einbehalten und dienen notleidenden Kirchengemeinden im Dekanat zum Ausgleich ihres Haushalts (Ergänzungszuweisung).Für die Pfarrhäuser müssen die Gemeinden seit 2008 im Jahr eine Pfarrhausrücklage von 22 € pro Quadratmeter Wohnfläche bilden. Diese ist dann der Eigenanteil der Gemeinde an notwendigen Renovierungskosten. Zukünftig sollen im Rahmen des kirchlichen Immobilienmanagements auch für die anderen Gebäude der Kirchengemeinde Rücklagen gebildet werden. Wie die Gemeinden diese Gelder aufbringen sollen, ist völlig ungeklärt.Dekanats- und Diakonieumlagen sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen.Für Gemeindepersonal, z.B. SekretärIn, MesnerIn, KirchenmusikerIn müssen Personalkosten-zuschüsse geleistet werden.Seit Jahrzehnten ist in die Schlüsselzuweisung eine Pfarrstellenabgabe der Gemeinden eingerechnet (vgl. Kirchengesetz über die Beteiligung der Kirchengemeinden an der Pfarrbesoldung vom 22. 7. 1946). Die Schlüsselzuweisung wurde entsprechend abgesenkt. (Dr. Werner Hofmann, „Spenden und Sparen“, Korrespondenzblatt Nr. 8/9, 2003, S. 138 f.)Gemeinden, die einer Gesamtkirchengemeinde angehören, geben außerdem einen hohen Prozentsatz ihres Kirchgeldes in einen gemeinsamen Topf. Dieser steht ihnen dann zum Ausgleich ihres Haushalts nicht mehr zur Verfügung.Deshalb ist es in den letzten Jahren für viele, vor allem aber für kleinere Gemeinden, immer schwerer geworden, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Kirchenvorstände wurden zu Mangelverwaltern und Bittstellern, die immer weniger zu entscheiden und immer weniger Gestaltungsmöglichkeiten haben. Selbst für Mittel, die eigentlich zu den ordentlichen Deckungsmitteln ihrer Haushalte gehören, müssen Kirchenvorstände Anträge bei den übergemeindlichen Gremien auch auf Dekanatsebene (Dekanatsausschuss, GKV) stellen. Für von den Gemeinden eingeforderte Solidarität müssen auch entsprechende Spielräume vorhanden sein.OKR Dr. Hans-Peter Hübner und sein Gemeindereferat haben positive Regelungen für die Gemeinden auf den Weg gebracht:Bei der Herbstsynode 2011 in Rosenheim hat die Synode einen Kirchensanierungsfonds beschlossen, der auf 150 Mio. € anwachsen soll und für die Erhaltung der Kirchen ausgeschüttet werden soll.Die Verpflichtung der Kirchengemeinden zur Erhaltung der Pfarrhäuser ist über die Pfarrhausrücklage nun klar definiert. Das gibt den Gemeinden Planungssicherheit.Es wurde ein Pfarhaus-Fonds von 50 Mio. € aufgelegt, mit dem der Renovierungsrückstand bei den Pfarrhäusern aufgeholt werden kann. Bis Ende 2011 wurden bereits über 800 Pfarrhäuser saniert. 400 stehen noch aus.Es wurden Mittel bereitgestellt, die zur Entschuldung der Gemeinden dienen, die sich durch Pfarrhausrenovierungen in den letzten Jahren verschulden mussten.Es stellt sich die Frage, ob die jetzige Regelung des innerkirchlichen Finanzausgleichs den Kirchengemeinden wirklich einen nach der Kirchenverfassung angemessen Anteil am Kirchensteueraufkommen der Landeskirche zur Verfügung stellt, der sie auch in Zukunft in die Lage versetzt, ihre Aufgaben zu erfüllen. Wir meinen, dass in der evangelischen Kirche auch über das Geld dort am sinnvollsten entschieden werden kann, wo Menschen ihre Bedingungen, Ressourcen und Möglichkeiten am Besten kennen und einschätzen können: in der Gemeinde am Ort.Es ist keine Frage, dass evangelische Gemeinden solidarische Gemeinden sind, die ihre Region und das Ganze ihrer Kirche nicht aus dem Blick verlieren.
Aus der Praxis:
Finanzierung von unten – ein Alternativmodell
Die Basis evangelischen Kirchenverständnisses, das Priestertum aller Gläubigen, darf nicht nur eine theologische Floskel darstellen, sondern muss auch die Gestaltung der Ordnung und der Finanzen der Kirche bestimmen. Beteiligungskirche heißt nicht nur etwas mehr ehrenamtliches Engagement, sondern bedeutet Partizipation an inhaltlichen Entscheidungen und Selbstverantwortung in den materiellen Grundlagen. Hierüber besteht – nach guten Gesprächen von Vertretern des Forums Aufbruch Gemeinde mit der Kirchenleitung – im Prinzip Einigkeit.
Das neue Berechnungsmodell für eine Finanzierung von unten beinhaltet die Solidarität der Gemeinden untereinander, indem von einem durchschnittlichen Kirchensteueraufkommen innerhalb der Landeskirche ausgegangen wird und eine 20%-Abgabe für landeskirchliche Aufgaben eingerechnet wird.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Kirchensteueraufkommen nur einen Teil der Gesamteinnahmen der Landeskirche ausmacht. Die Landeskirche verfügt neben der Kirchensteuer über weitere Einnahmen. 2016 betragen die Gesamteinnahmen 907 Millionen Euro. Davon sollen bis 2023 jährlich 148 Millionen Euro direkt in den Gemeindebereich gehen. Eine Erhöhung dieses Betrags ist nicht vorgesehen. Das sind 16% der Gesamteinnahmen. Da hierin aber auch die Gelder für Dekanate und Verwaltungsstellen enthalten sind, kommen den Kirchengemeinden nur 80 Millionen Euro, oder 8,81% der Gesamteinnahmen direkt zugute!
Berechnen Sie die Einnahmen und Ausgaben Ihres Gemeindehaushalts nach diesen Kennzahlen.
Wir danken OKR Dr. Hans-Peter Hübner für die Bereitschaft dieses Alternativmodell am Beispiel von Probedekanaten durchrechnen zu lassen und für die Bereitstellung der Kennzahlen.
Informieren Sie sich:
Geld für Gemeinden – Wo bleibt die Kirchensteuer? (FAZ vom 27.03.2017)
Finanzausstattung der Gemeinden in der ELKB verschlechtert (Bericht von der Herbsttagung der Synode der ELKB 2016)
„Die Gemeinden sind momentan die Verlierer“- Gemeindebund Bayern fordert mehr Mittel für die kirchliche Arbeit am Ort (epd-Gespräch, 18.11.16)
ELKB entkoppelt den Anteil der Gemeinden von der Entwicklung des Kirchensteueraufkommens (Februar 2016)
Kirchenfinanzen (Eine Seite der EKD)
Kirche und Geld (Informationen der bayerischen Landeskirche)