Die Januarausgabe der ABC-Nachrichten beschäftigt sich mit dem Reformprozess „Profil und Konzentration“ (PuK) der ELKB und enthält auch einen Beitrag des Gemeindebunds Bayern. Lesen Sie hier das Vorwort von Dr. Martin Seibold, Mitglied der Landessynode der ELKB:
Liebe Leserin, lieber Leser,
kennen Sie PuS? Nein, ich habe mich nicht verschrieben, ich meine nicht PuK, den aktuellen Zukunftsprozess „Profil und Konzentration“ in unserer Landeskirche, sondern PuS.
PuS hätte er heißen können, der dem aktuellen PuK-Prozess vorangegangene Zukunftsprozess „Perspektiven und Schwerpunkte“, der seine Revitalisierung im Juli 2009 auf einer Konferenz aller kirchenleitenden Organe in Tutzing erlebte, am schönen Starnberger See, wo ich als neu gewähltes Mitglied der Landessynode erstmals an einem derartigen Vorhaben mitwirken durfte. „PuS“ wurde im Anschluss überarbeitet und mündete im Jahr 2013 in der Handreichung „Grundlagen und Orientierungen kirchlichen Lebens“, der folgende Zukunft beschieden war, Zitat: „Die kirchenleitenden Organe haben die Handreichung zustimmend zur Kenntnis genommen.“
Vor diesem Hintergrund kann man sich vorstellen, dass die Folgen des Prozesses PuS – vorsichtig formuliert – überschaubar blieben. An einer Stelle jedoch war er, wenn vielleicht auch unbeabsichtigt, sehr zukunftsweisend: Die erstellte Handreichung sollte „… zu einer profilierten kirchlichen Praxis vor Ort ermutigen.“ War das der Anstoß zu „Profil und Konzentration“, also dem aktuellen Zukunftsprozess, der sieben Jahre später in der nächsten Konferenz aller kirchenleitenden Organe im Juni 2016, ebenfalls in Tutzing, das Licht der Welt erblickte, und der sich seither sehr präsent und ressourcenintensiv auf allen Ebenen unserer Kirche im wahrsten Sinne des Wortes Raum verschafft?Wohl eher nicht, denn PuK kommt zur „Erkenntnis, dass die bisherigen inhaltlichen Ansätze zwar hilfreich und umfassend waren, aber zu sehr beschreibend und auf Einigkeit zielend und daher zu wenig Wirkung entfalteten.“
Um nicht das gleiche Schicksal zu ereilen, bescheinigt PuK sich selbst einen völlig neuen Ansatz, um ein Bild der zukünftigen Entwicklung von Kirche zu entwerfen: „Um Kirche zu entwickeln, muss vom biblischen Auftrag aus gedacht werden. Dieser Auftrag muss konkretisiert werden in konzentrierten Grundaufgaben der heutigen Kirche. Das Denken von Aufgaben her muss das Denken in herkömmlichen Arbeitsformen und Strukturen ablösen.“
Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Inhalt vor Struktur. Ich bin sicher: diesen Ansatz wird wohl jeder sofort und ungeprüft unterschreiben. Besonders jeder, der schon einmal an den Strukturen unserer Kirche Anstoß genommen hat – also vermutlich jedes unserer Kirchenmitglieder. Aber jeder wird auch nach kurzem Nachdenken wissen: Den Inhalt des „biblischen Auftrags“ ekklesiologisch zu erschließen, ist zumindest seit dem Zeitpunkt umstritten, als es um die Frage ging, ob Unbeschnittene zur christlichen Gemeinde gehören oder nicht …
Was nun konkret die Inhalte zu PuK betrifft, lässt sich ohne jede Einschränkung sagen: Dieser Prozess ist transparent wie selten einer zuvor in unserer Landeskirche. Jeder kann sich zeitnah und umfassend über den Arbeitsstand informieren, es gibt eine eigene Internetseite, die immer auf dem Laufenden gehalten wird (https://puk.bayern-evangelisch.de).
Und jeder, der sich dort informiert, wird unmittelbar feststellen: PuK hat sich sehr breit aufgestellt: Eine Begleitgruppe, sechs Arbeitsgruppen mit je 10-12 Mitgliedern sowie Studientage und Konsultationen mit dem „Ziel, sich mit weiteren Fachleuten aus unserer Kirche über strategische Annahmen des PuK-Prozesses auszutauschen“, sind neben vielen anderen eingebunden. Somit können alle bisherigen Strukturen unserer Landeskirche sicher sein, im PuK-Prozess gebührend Berücksichtigung zu finden.
Ich möchte als nur mittelbar mit dem Geschehen befasstes Synodenmitglied an dieser Stelle nicht auf die Inhalte und das Vorgehen von PuK eingehen, sondern ein paar Eindrücke schildern, die mich im Blick auf das dort vermittelte Gemeindebild beschäftigen (zu mehr Einschätzungen verweise ich auf die verschiedenen Beiträge in diesen ABC-Nachrichten):
- Mein erster Eindruck: Die Orts- und Kerngemeinde wird in der Bestandsaufnahme des PuK-Prozesses vor allem negativ konnotiert: Sie sei „statisch“, „selbstbezogen“, „wenig einladend“ und „Bindung vor allem nach innen entfaltend“. Der Gemeindebund Bayern (www.https://www.https:\/\/www.aufbruch-gemeinde.de) hat zurecht darauf hingewiesen: Dies wird in keiner Weise der haupt- und ehrenamtlichen Arbeit in den vielen Kirchengemeinden gerecht. Viele Gemeinden haben außerdem ein ausstrahlendes, lebendiges Gemeinde- und (Sonntags-) Gottesdienstleben mit traditionellen Formen, die schon manchen Zeitgeist überdauert haben.
- Dazu kommt: Ohne es laufend öffentlich so zu benennen, wird insbesondere im Gemeindebereich Profilierung und Konzentration an vielen Stellen längst gelebt. Zusammenarbeit in der Predigtplanung, der Kinder-, Jugend- und Konfirmandenarbeit, in der Kirchenmusik, sowie Konsolidierung von Immobilien in Gemeinden und Pfarreien ist an vielen Orten bereits heute Normalität und wird von landeskirchlicher Seite durch Projekte wie das Immobilienprojekt, die Initiative „Räume für die Zukunft“ (sic!), Gesetzesinitiativen zur Zusammenarbeit in Zweckverbänden oder zwischen Dekanatsbezirken und Kirchengemeinden sowie die Reform der Verwaltungsstrukturen seit vielen Jahren behutsam, die nötigen Freiräume vor Ort belassend, nachhaltig unterstützt.
- Dagegen scheint Ähnliches an vielen anderen Stellen unserer Kirche noch in weiter Ferne zu sein: Der Projekthaushalt 2019 zeugt in besonderer Weise von einem „immer noch mehr“ auf landeskirchlicher Ebene und selbst zusätzlich zu schaffende Stellen sind für manche PuK- Pilotprojekte im Gespräch, was einem Prozess der Konzentration wohl eher hinderlich ist.
- Dass das zentrale Ergebnis der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 5), wonach der Pfarrer/die Pfarrerin vor Ort die beste Garantie dafür ist, Menschen an ihre Kirche zu binden, in PuK keine angemessene Berücksichtigung findet, ist aus meiner Sicht eine fatale Entscheidung!
Diese wenigen Eindrücke sollen genügen – sie lassen eine gewisse Skepsis meinerseits gegenüber dem PuK-Prozess erkennen. Dennoch bleibe ich aufgeschlossen und lasse mich gerne mit hineinnehmen in den Prozess, unsere Kirche weiter zu entwickeln.
Aber eines will mir einfach nicht in den Kopf: Sollte nicht an erster Stelle der Aufgaben einer Kirche stehen, alle Menschen zu Jesus Christus zu führen, dem Herrn und Heiland der Welt? Sollte nicht Kirche das Bekenntnis aller Menschen zum dreieinigen Gott zum Ziel haben, der seinen Sohn für unsere Sünden in den Tod am Kreuz gab und ihn am dritten Tag auferweckte, damit wir das ewige Leben haben? „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“ (1.Timotheus 2)
Es könnte durchaus sein, dass PuS gescheitert ist, weil es diese Aufgabe für die Kirche nicht im Blick hatte. Wenn ja: droht PuK dann das gleiche Schicksal?
Seien Sie herzlich gegrüßt!
Dr. Martin Seibold
Mitglied im ABC-Vorstand und Mitglied der bayerischen Landessynode
Lesen Sie hier das ganze Januarheft des ABC (Arbeitskreis bekennender Christen in Bayern), das auch einen Beitrag des Gemeindebunds Bayern enthält: https://www.abc-bayern.de/wp-content/uploads/ABC-Nachrichten-2019.1-Internet.pdf