Ich wünsche mir, dass diejenigen, die so vorschnell die Initiative samt Umsetzung an sich reißen, genau hinschauen und die gewaltigen Potentiale entdecken, die sich auf Gemeindeebene bereits entfalten oder noch entfalten könnten.
Von Pfr. Karl-Friedrich Wackerbarth (Prien)
Im Herbst letzten Jahres war im Sonntagsblatt zu lesen, dass Herr OKR Dr. Barzen in den nächsten 5 Jahren jeweils 1 Million in den Haushalt einstellt, um seitens der Landeskirche Briefe an Jugendliche und junge Erwachsene zu verschicken. Im Prinzip eine schöne Idee und ich will die finanzielle Seite mal ignorieren, auch wenn es mir schwerfällt. Eine schöne Idee – aber ist die Ebene angemessen? Was, so frage ich mich, ist die Aufgabe unseres Landeskirchenamtes? Schon als die Briefaktion an Ausgetretene gestartet wurde, habe ich mir diese Frage gestellt.
Ich erlebe es als übergriffige Einmischung in unsere Arbeit vor Ort. Über Motive solcher Aktionen kann ich nur Vermutungen anstellen, weil die Gründe leider nicht offen dargelegt werden. Scheinbar traut der Landeskirchenrat oder der Landessynodalausschuss es den Kirchengemeinden nicht zu, die richtigen Prioritäten in Ihrer Arbeit vor Ort zu setzen. So scheint das Fazit zu lauten: Dann mache(n) wir/ich es halt selber!
Würde den Gemeinden vor Ort das Budget für solche Aktionen zur Verfügung gestellt, hätten diese bestimmt so manches Konzept in der Schublade, wie sie z.B. Ihre Jugendlichen erreichen könnte. Aber darauf scheint unsere Kirchenführung nicht zu vertrauen und so wird unter dem Deckmantel der Fürsorge den Gemeinden die Arbeit abgenommen und Briefe verschickt, von denen die Gemeinden weder über Inhalt noch über deren Adressaten informiert werden.
Und das geht nicht gut. Wenn ich nach diesem Prinzip arbeiten würde, wäre ein „Burnout“ absehbar. Nicht nur, weil ich mir alles selber auflade, sondern auch weil ich den Konflikt mit der Gemeinde / den Mitarbeitenden, die nicht so „funktionieren“ wie ich es mir vorstelle, nicht eingehe. Und das rächt sich!
Sollte meine Vermutung zutreffen, dann haben wir ein dickes Kommunikationsproblem. Eines, das für mich auch den immer befremdlicher wirkenden PuK-Prozeß erklärt. Es scheint der Eindruck auf vielen Ebenen der kirchenleitenden Organe zu herrschen, dass Kirchengemeinden keine qualitativ gute Arbeit mehr machen. Sicher gibt es solche Gemeinden auch.
Aber es gibt auch andere, und nicht zu knapp:
- Gemeinden, die ganz selbstverständlich die Leitsätze von PuK* im Zentrum ihrer Arbeit haben und die nur den Kopf schütteln, dass man solche Zielsetzungen überhaupt erwähnen muss in der Kirche.
- Gemeinden, die schon immer den Blick nach außen, in den sie unmittelbar umgebenden Lebens-„Raum“, gerichtet haben und selbstverständlich in Kooperation mit der Kommune, den örtlichen Einrichtungen und den Geschwistern anderer Konfessionen unterwegs sind.
- Gemeinden, die sich als Teil eines größeren Ganzen, kirchlich und gesellschaftlich, sehen und die ihre Arbeit nicht allein für sich, sondern in Verantwortung gegenüber der Gesamtkirche verstehen.
Die Gemeinde Prien und ich ganz persönlich haben keine Lust mehr, immer wieder in einen Topf geworfen zu werden mit den Vertretern eines beengten binnenkirchlichen Milieus. Ich habe keine Lust mehr mich rechtfertigen zu müssen gegen Vorwürfe, die einfach nicht zutreffen und die mit ein wenig gutem Willen hinsichtlich Nachfrage und Information gegenstandslos wären. Ich wünsche mir stattdessen, dass diejenigen, die so vorschnell die Initiative samt Umsetzung an sich reißen, genau hinschauen und die gewaltigen Potentiale entdecken, die sich auf Gemeindeebene bereits entfalten oder noch entfalten könnten. Und ich wünsche mir, dass die nötigen Konflikte ausgefochten werden. Gemeinden, die im eigenen Sumpf versauern, brauchen einen Weckruf. Ja, gewiss!
Aber andererseits brauchen Menschen in kirchenleitenden Funktionen genaue Kenntnis, was in der bunten Landschaft bayrischer Gemeinden wirklich passiert und was nicht.
- Wissen beispielsweise diejenigen, die sich die Briefe an Jugendliche ausgedacht haben, dass unsere Gemeinde, wie so viele andere Gemeinden auch, seit Jahren auf eigene Kosten eine Stelle in der Jugendarbeit finanziert? Übrigens äußerst erfolgreich.
- Wissen diese Menschen, welche Anstrengungen es Jahr für Jahr bedeutet, die Mittel für diese Stelle zusammenzubringen?
- Und ahnen sie, wie dann die Ankündigung wirkt, mal eben 1. Million € für so eine Briefaktion im Jahr auszugeben?
Ich glaube, wir haben viel zu reden. Scheinbar genügen die Dokumentationen wie Statistiken und Visitationsunterlagen nicht. Welchen Geist eine Gemeinde lebt und atmet, kann man ja auch nicht auf Papier oder digital einfangen. Gemeinden und Kirchenleitung haben sich scheinbar weit voneinander entfernt.
Es wird Zeit, diesen Prozess umzudrehen!
* Grundaufgaben von PuK (Profil und Konzentration)
- Christus verkündigen und geistliche Gemeinschaft leben
- Lebensfragen klären und Lebensphasen seelsorgerlich begleiten
- Christliche und soziale Bildung ermöglichen
- Not von Menschen sichtbar machen und Notleidenden helfen
- Nachhaltig und gerecht haushalten
Lesen Sie den Newsletter vom April 2018 als PDF: https://www.aufbruch-gemeinde.de/download/NewsletterApril2018.pdf