Von Matthias Ewelt
Die Überschrift lässt viele, die den Anliegen von „Aufbruch Gemeinde“ nahestehen oder sich im Gemeindebund engagieren, erst einmal schmunzeln. Fürchten muss sich nun vor unserem kleinen Haufen niemand in der großen Kirche. Zu wenige sind wir, zu wenig Einfluss können wir nehmen. Allerdings gibt es einen Hintergrund zu dieser Frage: Muss man Angst vor dem Gemeindebund haben?
Pfarrerinnen und Pfarrer zur Anstellung erzählen uns, dass sie unsere Anliegen wichtig finden, sich aber nicht offen für uns engagieren möchten, weil sie berufliche Nachteile befürchten. Selbst aus Kirchenvorständen hören wir solche Rückmeldungen. Mehrfach berichteten Aktive des Gemeindebundes, dass sie in Bewerbungssituationen zu ihrem Engagement im Gemeindebund Stellung nehmen mussten. Wohlwollend oder neugierig erschienen ihnen die Rückfragen leider nicht.
Was kann einer Kirche Besseres passieren, als Menschen, die sich für das Wohl unserer Kirchengemeinden einsetzen? Es tut einer demokratisch verfassten Kirche gut, wenn eine Gruppe sich parteiisch für die Gemeinden – als Lobby und ohne Rücksicht auf Kompromisse und das große Ganze – einbringt. Kompromisse allein schaffen kaum Veränderungen. Wir glauben nicht, dass alles demokratische Engagement in die Synode gehört oder dort ausreicht. In welchen Systemen ist es je sinnvoll gewesen, nur ein -und zwar ein auf Interessenausgleich ausgerichtetes- Gremium allein für ausreichend zu halten, das System als Ganzes voranzubringen?
Aufbruch Gemeinde sieht eine Entwicklung, die sich wegbewegt von der einzelnen Kirchengemeinde und der Verkündigung des Evangeliums vor Ort hin zu besagtem Großen und Ganzen. Aber seit biblischen Zeiten und unterstützt durch aktuelle Mitgliedschaftsuntersuchungen wissen wir, dass Bindung in allererster Linie da passiert, wo man lebt und wo die eigene Kirchengemeinde ist. Aktuelle Beiträge der Presse unterstützen uns bei diesem Anliegen. Eine Kirche tut sich unserer Meinung nach etwas Gutes, das nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern es zu fördern, so gut es eben geht.
In den letzten Newslettern haben wir nachgewiesen, dass allein die Verschiebung der finanziellen Ressourcen in den letzten Jahren und Jahrzehnten weg von den Gemeinden beträchtlich gewesen ist (Anstieg der Kirchensteuern: 46,7%, Anstieg der direkten Zuweisungen an die Gemeinden: 13%). Und das ist nicht aufgrund tendenziöser Zahlenauswahl oder Zahlenspielchen geschehen, sondern mit Zahlen, die uns allen zur Verfügung stehen.
Bei unseren kritischen Ansätzen kommt jedes Mal die direkte Reaktion, dass doch etwa 80% der Mittel in die Kirchengemeinden flößen, weil wir die indirekten Mittel, wie Personalkosten und Zuweisungen zu Bauvorhaben außer Acht ließen. Dabei wird vergessen, dass unser Anliegen nicht allein den Geldfluss betrifft. Auch die Zentralisierung von Entscheidungen und Ressourcenvergaben, sowie die Stärkung aller Ebenen außer der der Gemeinden wird von uns sehr kritisch gesehen.
Kurz gesagt: über diese genannten 80% der Mittel der Gemeinden verfügt die Gemeinde nicht selbst. Sie kann kaum Verantwortung dafür übernehmen. Es gibt wenig Transparenz für diese Mittel, also für jeden Euro, der vor Ort indirekt ankommt. Ja, als Gesamtbudget schon, aber nicht heruntergebrochen auf „meine“ Gemeinde.
Übrigens, dass sich Gemeinden und deren Pfarrerinnen und Pfarrer als Bittsteller empfinden, wird häufig zurückgewiesen mit den Worten, Kirchengemeinden seien keine Bittsteller, sie seien schließlich selbst Körperschaften und auch Eigentümerinnen von Immobilien. Wir sehen schon auch, dass wir das nicht sein müssten, denn Kirchensteuermittel stehen den Gemeinden sogar nach Kirchengesetz zu (leider nicht wie viel…).
Ob man sich als Bittsteller wahrnimmt, darüber urteilt jedoch das antragstellende Subjekt und nicht der Zahlungsgeber. Der Bittseller ist hinterher froh und dankbar, wenn er (überhaupt) etwas bekommen hat. Ein Antragsteller hingegen weiß bereits vorab, was ihm zusteht.
Anstelle von Hinweisen, dass manche Gemeinden ihre Hausaufgaben nicht machten und deshalb ihre Finanzen nicht in Ordnung seien, fänden wir ein Projekt zur Unterstützung von Kirchengemeinden bei der Konsolidierung ihrer Finanzen gut.
Dass es nun erste Signale gibt, die vor etwa 6 Jahren erstellten Gebäudekonzeptionen zu besprechen und verbindlich werden zu lassen, finden wir gut.
Den geordneten Dialog mit Gemeinden, die unter zu vielen Immobilien leiden, oder die möglicherweise auch tatsächlich die Energie nicht aufbringen können oder wollen, sich darum zu kümmern, fänden wir gut. Der Hinweis allein auf den einzuhaltenden Raumplan (also wie viele Quadratmeter kirchliche Immobilien haben dürfen) hilft vor Ort kaum etwas.
Natürlich sind weder die Hauptamtlichen noch die Ehrenamtlichen bisher im Stande, die tatsächlichen Budgets, die wir vom Gemeindebund errechnet haben, selber zu bewältigen. Ganz einfach, weil das bisher nicht erforderlich war. Für die Dekanatsbezirke Rosenheim und Pegnitz liegen uns seriöse Hochrechnungen vom Landeskirchenamt vor, wie eine Finanzierung der Gemeinden aussehen könnte, wenn tatsächlich alles Geld (bzw. die genannten 80%) vor Ort verwaltet würde (inklusive Baumittel und Personal) und 20% beim Landeskirchenamt für allgemeine Zwecke verbliebe. Diese 80/20 Vorstellung ist wie gesagt nicht unsere, aber wir nehmen sie gerne auf. Allerdings mit deutlich mehr Verantwortung und Handlungsspielräumen auf Seiten der Gemeinden.
Grundlage unserer Überlegungen ist wie immer bei uns, dass die Einnahmen aus Kirchensteuern geteilt durch die Anzahl der Mitglieder auf die Gemeinden nach Gemeindegliederzahl verteilt werden (bzw. eben 80% davon).
Aber auch mit solch deutlich größeren Summen und mit solch deutlich größerer Verantwortung können Menschen in der Kirche lernen umzugehen. Alle Kirchen des lutherischen Weltbundes, die nicht zentral verwaltet werden, sondern ein Zusammenschluss einzelner Gemeinden sind, tun das ohnehin.
Es wäre nur eine Frage des Wollens und Begleitens.
Neustadt an der Aisch im Mai 2017
Gemeindebund Bayern, Matthias Ewelt
Der Newsletter als PDF: https://www.aufbruch-gemeinde.de/download/NewsletterMai2017.pdf