Dekanatssynode Würzburg fordert Moratorium für „Profil und Konzentration“ (PuK)

Kirche braucht kein Profil, Kirche braucht Gesicht!

Eingabe zur Tagung der Landessynode vom 26.11.-30.11.2017 in Amberg-Sulzbach

Die Landessynode möge folgendes beschließen:

  • Von der Information zur echten Beteiligung, von top down zum magnus consensus
  • Wir schlagen ein Moratorium für den Prozess „Profil und Konzentration“ vor.
  • In der dadurch gewonnenen Zeit kann die Basis mit ihren Experten in die Gestaltung des Prozesses einbezogen werden.
  • Kirche braucht kein Profil, Kirche braucht Gesicht!

Wir begrüßen bei „Profil und Konzentration“ den Versuch einer Antwort auf Säkularisierung und fehlende Pfarrerinnen und Pfarrer zu finden. Sicherlich ist es sinnvoll, dass sich Kirche in den Sozialraum orientiert, dass Gemeinden Kooperationsmöglichkeiten suchen und gemeinsam die Diakonie gemeindeorientierter weiterentwickeln.

Wir kritisieren an „Profil und Konzentration“ jedoch, dass bisher die Menschen der Basis, z.B. die Kirchenvorstände, aber auch Mitarbeiter der Diakonischen Werke und Bildungseinrichtungen vor Ort nicht angemessen zu Wort kommen konnten und bei der ersten Konzeptentwicklung nicht einbezogen wurden.

Weiterhin sehen wir den kirchlichen Auftrag, die Verkündigung des Evangeliums, immer als ein Beziehungsgeschehen in Wort und Tat. Das findet in „Profil und Konzentration“ nicht genügend Beachtung. Die Kirche lebt aus überschaubaren und gemeinschaftsorientierten Kommunikationsformen vor Ort, besonders in der Gemeinde und den Diensten vor Ort. Hierfür ist auch eine gut begleitete Gruppe von Ehrenamtlichen essentiell wichtig.  Bei vielfältigen persönlichen Begegnungen und in Beziehungsnetzen blicken die Menschen sich ins Gesicht und sehen nicht nur ihr Profil. Das gilt insgesamt für die Kirche. Sie braucht kein Profil, sie braucht Gesicht. Das zeigen auch die Ergebnisse der letzten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD. Gerade angesichts der Globalisierung und der sich immer weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft sehen wir die Notwendigkeit einer Stärkung von kirchlichen Formen in der Gemeinde und den Diensten vor Ort. Darauf sollte auch die Ressourcenverteilung ausgerichtet sein.

Wir bitten die Landessynode, während der Zeit dieses Moratoriums die Basis am Prozess „Profil und Konzentration“ als Experten sachgerecht einzubinden, wie das für die kirchenleitenden Organe und die mittlere Ebene bereits geschehen ist. Hier leben die Experten für die Lage unserer Kirche vor Ort und die Lebenswirklichkeit ihrer Mitglieder. Ihre Ideen müssen in das Konzept „Profil und Konzentration“ gleichberechtigt eingearbeitet werden. Danach muss z.B. eine Veränderung der Arbeitspakete und eine Prüfung von Elementen des Prozesses möglich sein.

Ebenso schlagen wir vor, die den Prozess „Profil und Konzentration“ begleitenden Arbeitsgruppen in einem transparenten Prozess unter angemessener Beteiligung der Basis in den jeweiligen Kirchenkreisen neu zu bilden.

Befragen wir die Basis und hören auf ihre Lösungsvorschläge! Z.B. durch Ideenwerkstätten mit Beteiligung der Ortsgemeinden und Dekanate. Diskussionsveranstaltungen an der Basis mit Akteuren aus der Breite der Gesellschaft, in den Diakonischen Werken und Bildungseinrichtungen vor Ort.

Ein solches Moratorium kann auch der Selbstbesinnung der Kirche dienen.

Begründung:

Unsere Kirche muss sich mit den Gegebenheiten der globalisierten Welt wie unserer pluralistischen Gesellschaft auseinandersetzen und mit ihnen umgehen. Dieser Impuls aus dem Papier findet allgemeine Zustimmung.

Kirchengemeinden und Kirchenvorstände sind dazu auch bereit, ebenso die Einrichtungen und Dienste (z.B. Rudolf-Alexander-Schröder-Haus, Diakonisches Werk). Die Herausforderungen sind durchaus im Blick.

Einige Beispiele: Mit Beunruhigung werden Austrittszahlen unter jungen Erwachsenen wahrgenommen. Glaubenskurse eröffnen den Zugang zum christlichen Glauben neu. Stadt- und Landgemeinden denken darüber nach, wie sie die Jugend besser erreichen können, dazu wurde die Jugendarbeit neu geordnet. Das Bildungswerk wie das Diakonische Werk haben viele Ehrenamtliche bei der Betreuung von Flüchtlingen kompetent gemacht. Das Projekt „Interkulturelle Kirche“ überwindet beim Feiern internationaler Gottesdienste die Grenzen von Nationalitäten und Milieus. Die Zusammenarbeit von Diakonie und Kirche wird gestärkt. Kitas werden als wichtige Orte der Glaubensvermittlung wahrgenommen, der Kita-Zweckverband unterstützt in Verwaltung und bei Baufragen.

Gemeinden, Einrichtungen und Dienste nehmen aufmerksam die Entwicklungen in unserer Gesellschaft und Kirche wahr.

Deswegen wünschen sie sich die Gemeinden, Einrichtungen und Dienste eine ehrliche Aussage über die äußeren Notwendigkeiten, die den Prozess „Profil und Konzentration“ ausgelöst haben:

  • Eine transparente Kommunikation darüber, dass es in Zukunft, etwa ab dem Jahr 2025 sehr viel weniger Pfarrerinnen und Pfarrer geben wird.
  • Im Augenblick ist die finanzielle Lage der Kirche hervorragend (das sogenannte dagobertinische Zeitalter dauert noch an), auch hier bedarf es einer differenzierten und transparenten Aussage darüber, dass das so ist und ab wann sich das ändern könnte.Das Papier „Profil und Konzentration“ wurde in den Kirchenvorständen wie im Dekanatsausschuss, in dem auch Vertreter der Einrichtungen und Dienste präsent sind, diskutiert, folgende Argumente wurden dabei vorgebracht:
  1. Die Bedeutung der Beziehungen vor Ort
    Kirche braucht Gesicht, nicht Profil. Unsere Kirche lebt von überschaubaren und gemeinschaftsorientierten Kommunikationsformen. Diese verwirklichen sich vor allem in den Gemeinden von überschaubarer Größe, hier ist auch die Bedeutung intakter Landgemeinden hervorzuheben.
    Beinahe alle Menschen, die sich zur Kirche zugehörig fühlen und Mitglieder sind, wurden in den überschaubaren Zusammenhängen einer Kirchengemeinde oder des Religionsunterrichts von der Botschaft des Evangeliums berührt. Auch Menschen, die später in Bildungseinrichtungen, bei kirchlichen Initiativen oder Bewegungen mitarbeiten oder sich kirchlich beheimaten, haben in einer Kirchengemeinde ihr Christenleben begonnen. Nicht zu unterschätzen ist hier die Bedeutung der Kasualien.
    Generell wird in Frage gestellt, ob eine Kirchenreform von „oben nach unten“ unserem Selbstverständnis als Kirche der Reformation entspricht und deshalb möglich und wünschenswert ist.
  2. Die Erkenntnisse der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung
    Die Kirchengemeinden weisen einhellig auf die Bedeutung der Pfarrperson für die Bindung der Gemeindeglieder an die Kirche hin. Das schwedische Modell einer Kirche mit bürokratisch organisierten Zentralpfarrämtern wird einhellig abgelehnt. Zentralisierung kann es in der Verwaltung geben, nicht bei den Pfarrerinnen und Pfarrern.
    Sowohl in dieser Untersuchung wie auch in kirchensoziologischen Forschungen (Isolde Karle) wird die Bedeutung der Pfarrperson herausgearbeitet. „Die Person des Gemeindepfarrers und der Gemeindepfarrerin hat für viele eine integrierende Funktion, weil man ihr in den verschiedensten Feldern gemeindlichen Lebens begegnet. Dies schafft nicht nur Vertrauen, sondern vermag auch über den persönlichen Kontakt genau jene Querverbindungen von der Seelsorge zur Verkündigung zum Konfirmandenunterricht und zurück herzustellen, die ansonsten in sich ausdifferenziert blieben und damit wichtige Kommunikationsmöglichkeiten gar nicht entstehen ließen: Die Kontinuität derselben Berufsperson in verschiedenen kirchlichen Kommunikationszusammenhängen spielt aufgrund des Vertrauens eine zentrale Rolle im Pfarramt“ (Isolde Karle bereits 2004 im Dt. Pfarrerblatt). Diese Einsichten werden von der Kirchenmitgliedschaftsstudie aus dem Jahr 2014 bestätigt.
    Vor diesem Hintergrund werden multiprofessionelle Teams als nicht unproblematisch gesehen. Es wird auf die nicht einfachen, parallelen Erfahrungen der katholischen Schwesterkirche verwiesen.
    Selbstverständlich muss eine hervorragende Vernetzung und Zusammenarbeit der Pfarrerinnen und Pfarrer mit den Mitgliedern der anderen Berufsgruppen angestrebt sein. Die besondere Bedeutung des Gemeindepfarramtes darf aber nicht abgewertet werden. Kirche erreicht durch Arbeitsfelder vor Ort in der Kirchengemeinde (z.B. Kasualien, Schule, Kindertagesstätten, Altenheimen usw.) und durch überparochiale Dienste mehr Kirchenferne als in „Profil und Konzentration“ dargestellt.
  3. Gemeinde und Sozialraum
    Schon lange ist besonders den Stadtgemeinden (z.B. auf dem Heuchelhof oder in Eisingen) die Bedeutung des Sozialraumes klar. Das gilt auch für die Diakonie, die in Zusammenarbeit mit der Stadt Würzburg an der Sozialraumanalyse eines Stadtteils arbeitet. Gemeinden vernetzen sich bereits jetzt im Sozialraum und werden als wichtige Partner wahrgenommen. Hier wird durch eine Auflösung der Kirchengemeinden in den „Raum“ hinein keine Verbesserung erwartet. Kirche ist über die Gemeinden, die Diakonie, über Einrichtungen und Dienste sehr kleinräumig und vor Ort präsent. Das ist ihre Stärke und darf nicht beschädigt werden.
  4. Die Bedeutung der eng verbundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
    Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass besonders die eng verbundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zentral für das Leben der Kirchengemeinden sind. Sie müssen ausgebildet und kompetent gemacht werden und wollen auch gerne ihren Beitrag leisten. Sie dürfen keinesfalls aus dem Blick geraten, wenn die Halbdistanzierten und eher kirchenfernen Mitglieder erreicht werden sollen. Es wird als Gefahr angesehen, sich von den eng verbundenen Mitarbeitern abzuwenden und seine Zeit vor allem den eher Kirchenfernen zuzuwenden, da dann gerade die Stützen der Gemeindearbeit verloren gehen könnten. Besser der Pfarrer /die Pfarrerin beteiligt die eng verbundenen Mitglieder und Mitarbeiter daran, auf Halbdistanzierte zuzugehen.
  5. Vermischung von Strukturfragen und theologischen Fragen
    „Profil und Konzentration“ vermischt die theologische Debatte mit der Strukturdebatte. Hier muss klar getrennt werden. Gegen die theologischen Aussagen von „Profil und Konzentration“ (Christus verkündigen und geistliche Gemeinschaft leben..) wird es kaum Einwände geben.
    Die Strukturaussagen (besonders das Denken in Räumen und die Vorstellung multiprofessioneller Teams) sind kritisch zu hinterfragen. Hier muss eine Trennung, besser noch eine Gewichtung stattfinden. Auf diese Schwierigkeit weist das Papier „Profil und Konzentration“ selbst hin (vgl. S. 5: Herausforderung 3: Keine Strukturprozesse ohne inhaltliche Mitte sowie Chance 2: Freiräume auf allen Ebenen fördern).
    Im Augenblick wird mit „Profil und Konzentration“ genauso verfahren wie mit einem der früheren Strukturprozesse: Beschluss in den kirchenleitenden Gremien, Einsetzen von Begleitgruppen, Information der Gemeinden und Einrichtungen in der Fläche, Einrichten von Erprobungsdekanaten, Zeitplan, Umsetzung.
    Wünschenswert ist eine Einigung über gemeinsame inhaltliche Ziele, die dann den Strukturprozess bestimmen.
    Die einzelnen Arbeitsfelder und übergeordneten Einrichtungen sowie Abteilungen des Landeskirchenamtes beschäftigen sich mit „Profil und Konzentration“ genau wie mit einem der anderen Strukturprozesse (Verwaltungsstrukturreform, Landesstellenplan, Pfarrerbildprozess).

Beschluss der Dekanatssynode Würzburg am 14.10.2017
mit 55 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 4 Enthaltungen

Für das Präsidium der Dekanatssynode
Dekanin Dr. Edda Weise              Luitpold Graf Wolffskeel

 

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