Pfarrerbild – Die Gemeinden nicht vergessen!

Der sechste Aktionstag der Reformgruppe „Aufbruch Gemeinde“ und des Gemeindebunds Bayern am Samstag, den 25. Juli 2015 in Nürnberg führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit OKR Dr. Nitsche über den Prozess zum Pfarrer/innenbild in der bayerischen Landeskirche.

Grundlage war zunächst die Handreichung „Gut, gerne und wohlbehalten arbeiten“ für die Erstellung von Dienstordnungen für Pfarrerinnen und Pfarrer. Der Grundgedanke, sich auf das Wesen des Pfarrberufs zu besinnen und dieses über eine realistische und einigermaßen berechenbare Arbeitszeit auch einzufordern, wurde gewürdigt und anerkannt. Aus der Gemeindeperspektive jedoch ergaben sich drei deutliche Kritikpunkte:

Bei der Erstellung der Dienstordnung werden die Gemeinde und der Kirchenvorstand als mitverantwortliche Subjekte völlig übergangen oder geraten in eine nachrangige Position. Die Erstellung nehmen Dekanin und Pfarrer vor, in Konfliktfällen soll der Oberkirchenrat im Kirchenkreis vermitteln, anschließend wird das Ergebnis dem Kirchenvorstand lediglich präsentiert.

In diesem Verfahren dokumentiert sich ein zentralistisches, obrigkeitliches Kirchenbild, das Gemeinden nur als Objekte der Betreuung und Versorgung sehen kann. Dieses Bild widerspricht dem evangelischen Verständnis des „Priestertums aller Gläubigen“, auf das sich selbst die Kirchenleitung gerne beruft ohne daraus Konsequenzen für das Leitungsverständnis und die Organisationsgestalt von Kirche zu ziehen. Solange Kirche von den Grundvollzügen Verkündigung, Taufe und Abendmahl lebt, ist Kirche voll und ganz in Gemeinden präsent. Darum kann deren Entscheidungsgremium nicht von oben her übergangen werden. Vielmehr sind aus den Grundprinzipien auch Gestaltungsprinzipien abzuleiten, nämlich: Freiheit (aus der Verkündigung der freien Gnade), Gleichheit (aus der Taufe), Solidarität und Partizipation (aus dem Abendmahl). Nach diesen Gestaltungsprinzipien muss der Kirchenvorstand bei einer Dienstordnung für seine Pfarrerin oder Pfarrer zwingend beteiligt werden.

Wer den rapid emporschnellenden Austrittszahlen entgegenwirken will, sollte den Ergebnissen der letzten EKD- Umfrage „Engagement und Indifferenz“ mehr Augenmerk schenken. Dort wird ausdrücklich bestätigt, was „Aufbruch Gemeinde“ seit fast 10 Jahren moniert: Die Plausibilität von Kirche und Evangelium wird an der Basis erzeugt – in persönlichen und gemeinschaftlichen Beziehungen der Ortsgemeinde. Die Konsequenz kann nur sein, diese Basis zu stärken, personell und finanziell, und die Organisation Kirche von unten her aufzubauen über Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung.

Schließlich ergab sich ein Gesprächsgang über die Veränderungen im Pfarrberuf in den letzten Jahrzehnten. Sie flossen bisher viel zu wenig in die Diskussion um das Pfarrerbild ein:

Die Aufgabenfelder des Pfarrdienstes haben sich in den Bereichen Verwaltung und allgemeiner Gemeindearbeit vervielfacht. Zur Mehrung haben sowohl die Reformflut unserer Landeskirche sowie die Erwartungshaltung einer sich rasant verändernden Gesellschaft beigetragen.

Gleichzeitig wurde auf der Ebene der Bedarfszuweisungen an die Gemeinden gespart, denn oftmals erreichte die Punktwerterhöhung nicht mal die Kostensteigerung im Personalbereich, ganz zu schweigen von den Zwangsrücklagen für die Immobiliensicherung oder aktuell die Umstellung auf das Sichere Kirchennetz II (Kosten für Hardware).

Es fehlen Spielräume vor Ort, mit der je eigenen, besonderen Situation umzugehen. Dazu ist individuelle Beratung nötig und eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung. Eine Dienstordnung mag für manchen hilfreich sein, für andere ist sie ein Affront und eine Missachtung der eigenen Arbeitsorganisation. Individuelle Hilfen sind nötig, keine Pauschalprogramme, und dazu muss man wissen, wie die Gemeinde XY vor Ort tickt.

Dies alles aber wird nur dann greifen, wenn wir theologisch über den Auftrag von Kirche, Gemeinde, Verwaltung und Pfarramt reden.

Dr. Martin Hoffmann, Röthenbach b. St. Wolfgang
Karl-Friedrich Wackerbarth, Prien a. Chiemsee

(Erschienen im Korrespondenzblatt des Bay. PfarrerInnenverbands, Nr. 8/9 2015)

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